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Gemeindebericht 2009

Bildung ist mehr… – Gemeindebericht der evangelischen Kirchengemeinde Maifeld

1. Unser Zugang zum Thema: Chancen unserer Gemeinde

1.1. Unsere Chance in der Gemeindeperspektive: Bildung in Gemeinschaft

Unser Leitbild, das Haus mit offenen Türen, beschreibt unsere Gemeinde als Haus, als Ort der Gemeinschaft. Für das Thema Bildung wird hier eine große Chance für uns als Gemeinde angezeigt. Denn wirkliches Lernen findet nach unserem Verständnis in und mit der Gemeinschaft der Geschwister statt. So versteht sich unsere Gemeinde als Gemeinschaft von Lernenden.


1.2. Unsere Chance in der Weltperspektive: Bildung als Kritik an den Verhältnissen und als Praxis der Veränderung

In unserer Gemeinde ist der kritische Blick auf die bestehenden Verhältnisse gute Tradition. In unserem Leitbild beschreiben die offenen Türen unser Vorhaben, tätig auf eine gerechte und friedvolle Welt hin zu wirken. In dieser Gemeindetradition sehen wir eine zweite Chance in Hinblick auf das Thema Bildung. Wir haben langjährige Erfahrung darin, Bildung als verändernde Praxis zu verstehen und zu erproben.

1.3. Unsere Chance in der Gottesperspektive: Bildung als Geschenk und Aufgabe, in Vertrauen und Verantwortung

Wer baut denn unser Haus mit offenen Türen? Wir vertrauen darauf, dass Gott der Erbauer ist. Dieses Vertrauen empfinden wir als Entlastung und Geschenk: „Durch ihn (den Herrn) werdet ihr miterbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist“. (Eph 2,22)

Aber ebenso sehen wir unsere Verantwortung füreinander und für die Welt. Wir sind die Miterbauer. Das ist Gottes Aufgabe an uns: „Ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause.“ (1. Petr 2,5)

Das spannungsvolle Miteinander von Geschenk und Aufgabe und unsere zweifache Antwort darauf in Vertrauen und in Verantwortung begleitet unser gesamtes Gemeindeleben. Wir sehen darin im Zusammenhang des Bildungsthemas eine dritte Chance.

2. Aspekte des Bildungsthemas in der Praxis unserer Gemeindebereiche

2.1. Bildung ist Anleitung zum Vertrauen

Nach unserem Verständnis können wir Vertrauen lernen. Wir wollen in der Gemeinde geschützte Räume bieten, in denen solches Lernen möglich ist.

2.1.1. Gottesdienste

Die Gottesdienste werden von vielen der regelmäßig Teilnehmenden als Kraftquelle erlebt. Sie erfahren eine Situation des Aufgehobenseins und der Geborgenheit. Dabei spielen viele Aspekte eine Rolle: Die lebendige und gleichzeitig liebevolle Ausstrahlung der Gruppe im Gottesdienst, die Möglichkeit von spontanen Einwürfen, die Gleichförmigkeit der Liturgie und gleichzeitige Spontanität der Gestaltung, die Beteiligung mehrerer im liturgischen Geschehen, das Miteinander von traditionellen und neuen, z.T. sehr gemeindespezifischen Liedern und Gebeten, die helle, wohnliche Ausstrahlung des Gottesdienstraumes, der Blick durch die großen Fenster in den Gemeindegarten .

2.1.2. Bibelkreis

Im Bibelkreis ist die wache und kritische Auseinandersetzung mit dem Bibeltext im Gespräch genauso wichtig wie der Austausch von (Glaubens-) Erfahrungen. So nimmt der Vergleich der verschiedenen Übersetzungen und u.U. die Einbeziehung des Urtextes einen wichtigen Raum ein. Genauso gut zeugen sehr persönliche Erzählungen und unsere Gebete und Lieder von dem gelebten Vertrauen in der Gruppe.

2.1.3. Andachtsgespräche in vielen Gruppen

In den meisten Gemeindegruppen ist es zur Regel geworden, vor dem Übergang ins Tagesgeschäft ein Gespräch über einen Bibeltext zu führen. Es ist eine kurze Auszeit, Zeit zum Fragen, Zuhören, Antworten finden und Besinnen.

2.2. Bildung ist gleichrangiger Austausch von Wissen

In unserer Gemeinde ist es gute Tradition, dass Verantwortung von mehreren getragen wird. So steht das Vertrauen in das Mittragen der anderen in einem engen Verhältnis zum eigenen verantwortlichen Handeln. Dem entspricht in vielen Lernsituationen die Aufweichung der SchülerInnen/LehrerInnenrollen. Es werden viele Gemeindemitglieder als Lehrende eingesetzt. Und die Lehrpersonen verstehen sich gleichzeitig als Mitlernende in der Gruppe.

2.2.1. MitarbeiterInnenkreis im KonfirmandInnenunterricht (Miku)

Im Miku werden nach guter Gemeindetradition viele Gemeindemitglieder als PädagogInnen eingeübt und treten dann als solche auf. Anscheinend ist diese Aufgabe für Jugendliche so attraktiv, dass sie trotz dem hohem Aufwand von mindestens 5 Wochenstunden und den großen Anforderungen an die eigene Person verlässliche Mitglieder sind. Aktuell steht der Miku aufgrund veränderter Bedingungen vor neuen Herausforderungen: Schnell sinkende KonfirmandInnenzahlen aufgrund der demografischen Entwicklung (07/08: 48; 08/09: 37, 09/10: 27) stehen steigende Zahlen im MitarbeiterInnenkreis gegenüber (08: 27; 09: 37). Bisher konnte trotzdem die konzentrierte und verbindliche Atmosphäre im Miku erhalten werden. Aber im KonfirmandInnenunterricht stehen jetzt über 20 aktive MitarbeiterInnen 27 KonfirmandInnen gegenüber. Viele MitarbeiterInnen werden am Dienstagnachmittag rollenspielartig neben den KonfirmandInnen die Rolle der Lernenden einnehmen, während abwechselnd nur 2 Mitarbeitende in 4 Kleingruppen als Lehrende eingesetzt werden.

2.2.2. Musikgruppen

Gerade in der musikalischen Arbeit ist das Miteinander von Lernen und Lehren besonders wichtig. Während dies in den kleineren Gruppen (Blockflötenensemble und Jugendgospelchor) fast selbstverständlich funktioniert und im Kindergospelchor aufgrund der klaren Rollenverteilung unproblematisch ist, ist es im Spiritualchor eine ständige Herausforderung für Chor und Chorleiter. Für den Chorleiter gilt es, einfühlsam zu leiten und dabei selbst immer weiter zu lernen. Die Chormitglieder unterwerfen sich der klar strukturierten Leitung und sind gleichzeitig bereit, die Situation in der Gruppe aktiv mitzugestalten.

2.2.3. Gemeindebrief als Denkanstoß

In der wöchentlich erscheinenden Gemeindeseite im Verbandsgemeindeblatt, unserem Gemeindebrief, erscheinen immer wieder Artikel, die Denkanstöße geben, so z.B. zum Thema Heimat oder zur Wirtschaftskrise (siehe Anlage). Dabei geht es uns nicht darum, von oben zu belehren. Unsere Beiträge sollen Impulse zu Gesprächen geben.

2.2.4. Gottesdienste von vielen vorbereitet und durchgeführt

Die aktive Einbeziehung vieler im Gottesdienst und die Sprachfähigkeit in Glaubensdingen nicht nur für „Profis“ ist gute Tradition in unserer Gemeinde: Dies zeigt sich in den „Gottesdiensten von uns für euch“ und in dem Einsatz von LiturgInnen. Es ist uns auch gelungen, in den monatlichen Taufgottesdiensten die Tauffamilien stärker aktiv einzubinden. Dies ging über das Formulieren und Lesen von Fürbitten und das Aussuchen einiger Lieder über die persönliche Begründung des Taufspruches bis zur Beteiligung einer Taufpatin bei der Predigt.

2.3. Bildung ist soziales Lernen

In vielen Gemeindebereichen ist neben der offensichtlichen Aufgabe (Chorarbeit, Leitung, KonfirmandInnenarbeit …) die Beziehungs- und Gemeinschaftsfähigkeit der Menschen in unserer Gemeinde wichtig. Auch hier gehören das Vertrauen in das achtsame Handeln der anderen und das eigene verantwortliche Handeln zusammen.

2.3.1. Gefühlsrunde

Die in vielen Gruppen eingeführte Befindlichkeitsrunde am Anfang stärkt die Wahrnehmung füreinander und die Achtsamkeit.

2.3.2. Gruppenregeln in größeren Gruppen und Gottesdiensten

Wir wollen gerade im Kontext unserer individualisierten Gesellschaft Achtsamkeit, Verbindlichkeit und Verlässlichkeit lernen und einüben. Für uns als Veranstalter gerade von größeren Gemeindegruppen und Gottesdiensten bedeutet dies, dass wir klare Regeln aufstellen und auf deren Einhaltung achten. Für uns als Teilnehmende in der Kirchengemeinde bedeutet es, die Einschränkung des augenblicklichen persönlichen Bedürfnisses im Interesse der Gemeinschaft und das Einhalten von Regeln einzuüben.

2.3.3. Verantwortung für das Ganze der Kirchengemeinde

Den Blick für die anderen Bereiche und für das Ganze der Kirchengemeinde zu schärfen, ist unsere ständige Aufgabe und ein wichtiger Aspekt sozialen Lernens. Die Treffpunkte für die Aktiven und Engagierten sind uns dabei besonders wichtig: Die dritte MitarbeiterInnensegnung im Januar 2009, die zweite MitarbeiterInnenparty nach dem Reformationsgottesdienst 2008, die Christmette mit anschließender kleiner Gemeindeweihnachtsfeier im Pfarrhaus, das Tischabendmahl am 2. Weihnachtstag, der Osterfrühgottesdienst auf dem Sammetzkopf mit anschließendem Osterfrühstück und die Gemeindewanderung als kleines Gemeindefest im September 2009 hatten diese verbindende Funktion. Auch in den einzelnen Gemeindegruppen wird immer wieder für den Blick und die Aktivität für das Ganze der Kirchengemeinde geworben.

2.4. Bildung ist Lernen im Leiten

In den Leitungsgremien unserer Gemeinde spielt das Lernen der Leitenden eine große Rolle.

2.4.1. Presbyterium

Die Presbyteriumsabende sind ein wichtiges Lernfeld. Mit hoher Bereitschaft wird von den Mitgliedern von der Fachkompetenz der einzelnen profitiert: Pädagogik, Bau- und Finanzwesen, soziale Kompetenz, Informatik, Theologie. Auf der Presbyteriumsrüstzeit im November 2008 auf den Spuren von Thomas Müntzer war das Interesse für den oft verschwiegenen so genannten linken Flügel der Reformation groß.

2.4.2. Steuerungsgruppe und Ausschuss für Theologie und Gottesdienst

Nach dem Erstellen des Leitbildes 2003 ist die neugebildete Steuerungsgruppe seit Mitte 2008 mit der Erarbeitung einer ausführlichen Gemeindekonzeption beschäftigt. Wir erwarten Anfang 2010 das Ende dieses aufwändigen und lernintensiven Prozesses. Im Ausschuss für Theologie und Gottesdienst wurde unser Gemeindeliederbuch überarbeitet und eine Vielzahl neuer Lieder und Gebete vorstellt und ausgewählt. Die Einführung des neuen Liederbuches ist zu Beginn des neuen Kirchenjahres vorgesehen.

2.5. Bildung ist grenzüberschreitendes Lernen

Jenseits des Wissens im Rahmen unserer Herkunft, unserer Biographie, unserer eigenen religiösen Sozialisation und unserer eigenen Möglichkeiten sehen wir in der Konfrontation mit dem Anderen und Fremden eine Herausforderung und eine Chance für uns.

2.5.1. Jüdisch-christlicher Dialog

Die jährliche Vorbereitung und Durchführung des interkonfessionellen Gottesdienstes in Gedenken an die Reichspogromnacht ist für die Beteiligten ein besonderes Lernfeld. In der Vorbereitungsgruppe der Beteiligten aus der jüdischen, der katholischen und der evangelischen Gemeinde wird das theologische Gespräch mit großem Interesse und auf hohem Niveau geführt, in diesem Jahr zu einem nichtkanonischen Psalm aus Qumran.

2.5.2. Internationale Partnerschaften

Die Partnerschaft zu dem Projekt Ekupholeni in Johannesburg/Südafrika gewinnt in unserer Gemeinde hohe Anteilnahme, wenn auch die inhaltliche Beschäftigung mit der dortigen Problematik nicht sehr ausgeprägt ist. Die Jugendbegegnung auf den Philippinen hat bei den drei beteiligten Jugendlichen aus unserer Gemeinde viel ausgelöst. Sie haben sich trotz der Verschiebung der Rückbegegnung und der damit verbundenen Terminschwierigkeiten nach Kräften hierbei eingesetzt.

2.5.3. Bildung und soziale Verantwortung

Uns ist als Gemeinde wichtig, dass die Armen unter uns selbstverständlich als notwendiger Dienst der Gemeinschaft an den Mitgliedern unterstützt werden und in das normale Gemeindeleben integriert sind. Dies ist ein Lernfeld für unsere Mitglieder.

Der „Münstertreff“ in Kooperation mit Caritas soll die sozial Benachteiligten auf dem Maifeld unterstützen und begleiten. Hier spielt neben der materiellen Unterstützung die soziale Integration eine wesentliche Rolle. Nicht Armenfürsorge, sondern das Leben an der Seite der Armen ist die Absicht. Aufgrund der Wandlung von Schulen auf dem Maifeld in Ganztagsschulen und der Angliederung der Jugendhilfe an diese Schulen wird sich die Arbeit grundlegend ändern. Die Erarbeitung der neuen Konzeption, die die Arbeit mit den Kleinkindern in den Mittelpunkt rückt, war nur aufgrund des hohen Engagements unserer Mitarbeiterinnen und der Einbeziehung vieler (Kreisjugendamt, PolitikerInnen, Trägergespräch, …) möglich.

Die Vorstellung der Arbeit in einer Presbyteriumssitzung in den Räumen der Einrichtung in Münstermaifeld war für die PresbyterInnen z.T. neu und sehr aufschlussreich.

Im Aufbau unserer Kirchengemeinde und in der Übernahme von Verantwortung für unsere Mitglieder und die Welt sehen wir unsere Bildungsaufgabe.

Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Maifeld, beschlossen in der Presbyteriumssitzung am 08. September 2009


Anlage: Beispiel eines Textes zum Thema Wirtschaftskrise in unserer wöchentlich im Verbandsgemeindeblatt erscheinenden Gemeindeseite, unserem Gemeindebrief, erschienen im August 09:

Es bleibt nicht alles, wie es ist! Ein Versuch über die Weltwirtschaftskrise aus christlicher Sicht

Geldvermehrung ohne ein Wunder

Wie vermehre ich mein Geld? Indem ich es zur Bank bringe und die Zinsen erwarte. Aber wieso wird das Geld auf der Bank verzinst? Wo kommt dieser Geldzuwachs her?

Der Ursprung der Geldvermehrung auf der Bank liegt im Verleihen des Geldes an Unternehmen, die so ihre Investitionen finanzieren. Und die sind bereit, mehr zu zahlen, weil sie das Geld im Vorgriff auf ihre Gewinne geliehen haben. Der Gewinn der Unternehmen, ihr Erwirtschaften von Mehrwert, ist der Ursprung der Geldvermehrung in unserem Wirtschaftssystem, auch der Zinsen auf der Bank.

Aber wie genau wird das Geld in den Unternehmen vermehrt, ohne dass irgendjemand betrogen wird? Das Geheimnis liegt in einem besonderen Material, das neben Maschinen, Rohstoffen und Anderem jeder Warenproduktion zugrunde liegt: die Arbeitskraft der angestellten Menschen.

Denn während der Einsatz aller anderen Materialien im Prinzip für die Unternehmer ein Nullsummenspiel ist – sie bekommen beim Verkauf des neuen Produkts das heraus, was sie eingesetzt haben – entsteht durch den Einsatz der Arbeitskraft ein Mehrwert: die angestellten Menschen bekommen im gesellschaftlichen Durchschnitt das für ihre Arbeit bezahlt, was sie selbst investieren müssen, um sich und ihre Familie gesund und glücklich zu erhalten und zu machen.

Aber sie bleiben erheblich länger an ihrem Arbeitsplatz als nötig ist, um diesen Betrag zu erwirtschaften. Durch diese Mehrarbeit entsteht der Mehrwert, die Grundlage der Geldvermehrung und der gesamten „Wohlstandsmaschine“ in unserem Wirtschaftssystem.

Das Kapital wird arbeitslos

Und genau so entsteht das Problem, dass unserem Wirtschaftssystem grundsätzlich innewohnt: Jeder Unternehmer muss das Interesse haben, den Anteil der Mehrarbeit an einem Arbeitstag möglichst groß zu machen. Dies geschieht durch die Verlänge- rung des Arbeitstages, die heutzutage auch bei uns wieder eine Rolle spielt. Wichtiger aber ist die Erhöhung der Produktivität. Sie verschiebt den prozentualen Anteil in der Gesamtarbeit zugunsten der Mehrarbeit. Immer neue Erfindungen müssen her, um die Arbeit immer effektiver und schneller zu machen. Die mikroelektronische Revolution in den letzten Jahrzehnten ist bisher die letzte Stufe in dieser Entwicklung: Heute arbeiten ganze Fabriken, ohne dass man einen Menschen sieht. Und hier wird das Problem deutlich. Um die Arbeitskraft in Konkurrenz zu den anderen Unternehmen möglichst gut zu verwerten, wird durch die Erhöhung der Produktivität ihr Anteil an den Gesamtinvestitionen immer kleiner, bis sie zu verschwinden scheint: Das Kapital verliert die Arbeit und damit den Motor der gesamten Vermehrungsmaschine.

Eine (Finanz-)Blase ist geplatzt

Die Entdeckung immer neuer Märkte im In- und Ausland und die Entwicklung immer neuer, oft unsinniger und gefährlicher Produkte (viele Kinderverdummungsspielzeuge seien hier nur als ein Beispiel genannt) mildern das Problem, sind mittlerweile aber auch an ihre Grenzen gestoßen.

Die Vorauskosten an Sachkapital werden immer höher. Seit den 70er Jahren ist weltweit eine immense Erhöhung der Verschuldungen festzustellen. Auch viele Staaten verschuldeten sich, um den immer höher werdenden Beitrag zu finanzieren, der zum unterstützenden Eingriff in die Wirtschaft oder als Krisenintervention gewollt war. Verbunden damit ist die Spekulation mit den Schuldentiteln. Aber das Ganze funktioniert auf Dauer nur so lange, wie der Finanzüberbau mit dem realen Wirtschaften verknüpft ist. Und genau diese Verknüpfung ist durch die tendentielle Abschaffung der menschlichen Arbeit in der Produktion (s.o.) grundsätzlich in Frage gestellt. Die Erschütterung, die durch das Platzen der Finanzblase geschah, könnte also sehr grundsätzlich sein („Kernschmelze des Kapitalismus“, so die Frankfurter Rundschau).

Es bleibt nicht alles, wie es ist!

Ich habe nicht die Absicht, ein Weltuntergangsszenario an die Wand zu malen, denn darum geht es nicht. Aber gerade der Hinweis auf die Grundsätzlichkeit der Krise kann sehr heilsam sein: Es bleibt eben nicht immer alles so, wie es ist. Genauso wenig ist die Behauptung wahr, dass im Prinzip alles immer schon so war, wie es jetzt ist. Gott ist der einzig Ewige. Und das ist auch gut so: Denn jenseits aller Krisen hat unser Wirtschaftssystem eine Vernichtung und Brutalität freigesetzt, auf die auch wir Christen immer wieder hingewiesen haben. Ich hoffe, dass diese Krise Christen und anderen Menschen den Anstoß gibt, das Ganze grundsätzlich verändern zu wollen. Denn wir wollen ein Ende von Unrecht und Gewalt und hoffen auf universale Gerechtigkeit und Solidarität.

Ingo Schrooten