Wem Gott will rechte Gunst erweisen …
Gedanken zu Ferien, Freizeit und Urlaub
Die Evangelische Kirche und ihr Verband „Evangelische Jugend“ gehören zu den größten Reiseveranstaltern der Bundesrepublik Deutschland. Kirchen ermöglichen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen Freizeit, Urlaub, Entspannung, Ferien und thematische Bildungsangebote weltweit – und das ist gut so.
Völkerverbindender Tourismus trägt nämlich nicht nur dem Aspekt der persönlichen Erholung und Regeneration Rechnung und stillt die Neugier nach anderen Kulturen und Lebensformen, sondern ist in seinen Auswirkungen auch ein Garant für das friedliche Zusammenleben der Völker und Menschen auf dieser Erde.
All diese positiven Aspekte fehlen allerdings bei Kreuzfahrten oder Urlauben in deutschen Feriendörfern im Ausland. Ein Mensch etwa, der in der Türkei seinen Urlaub verbringt – wohlgemerkt in der Türkei und nicht in den dortigen deutschen Ferienclubs und Enklaven – wird sich kaum mehr in die Reihe der braunen Ewiggestrigen einreihen und faschistische Parolen grölen. Nach dem Kennenlernen der dort landesüblichen Gastfreundschaft ist das kaum mehr denkbar. Und jemand, der die Mittagshitze in südlichen Gefilden erlebt hat, wird danach Verständnis für Menschen haben, die über die Mittagszeit Siesta halten und dafür früh morgens und bis spät in den Abend arbeiten.
Freizeit, Ferien und Urlaub sind absolut notwendig, um sich von der Alltagshektik und den damit verbundenen Belastungen zu erholen. Doch auch dieser Lebensbereich ist mittlerweile industrialisiert. Immer drängender stellt sich damit die Frage nach der Finanzierbarkeit von Pauschalreisen, Individualreisen oder individuellen Pauschalreisen. Die Freizeitindustrie vermittelt die totale Erholung auch nur und ausschließlich gegen Bares. Selbst Kinder sind bereits Adressaten „kommerzieller“ Reiseveranstalter.
Ein wesentliches Urlaubs- und Freizeitanliegen für mich ist, selbstbestimmte Zeit zu haben – zumindest gefühlsmäßig tun und lassen zu können, was ich will. Und ich will Ruhe finden und durchatmen. Gott hat bestimmt, dass wir Menschen nach der Arbeit – „am siebten Tag“ – ruhen sollen. Von „Reisen“ war dabei keine Rede. Aber Gott hätte wohl auch heute nichts dagegen, wenn wir uns die Schönheiten seiner Schöpfung auch in anderen Ländern ansehen und sie dort genießen.
„Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt“, heißt es in einem Lied. Gott schickt uns kreuz und quer durch seine Schöpfung, damit wir erkennen, wie einmalig sein Werk ist.
Wir sollten darum schon aus Eigeninteresse an keiner Stelle mit unserer vermeintlichen übergöttlichen Klugheit daran gehen, diese Erde zu „verschlimmbessern“. Das hat bislang nie zu überzeugend guten Ergebnissen geführt, sondern uns eher an den Abgrund der Schöpfung gebracht.
Machen wir es doch einmal anders: Wir reisen durch die Welt, lernen Land und vor allem Leute kennen – und manchmal sogar lieben. Diese Menschen laden wir zu uns ein. So erzählen wir dann von den Schönheiten der Schöpfung in anderen Regionen, und die Menschen, die zu uns als Touristen kommen, sollten erzählen können, wie schön es bei uns ist. Vorher müssen wir nur noch dafür sorgen, dass es bei uns wirklich schön und lebenswert ist – und bleibt.
In diesem Sinne wünsche ich allen gute Erholung und Gottes Segen in Ferien und Urlaub, wo immer Sie diese Zeit auch verbringen mögen.
Bernhard Wibben




