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Gemeindebericht 2011

Gemeindebericht 2011 der Evangelischen Kirchengemeinde Maifeld

I) Ihr seid doch keine Sekte?

„Natürlich nicht, wir sind Mitglied der EkiR und haben alle Kennzeichen einer volkskirchlichen Gemeinde.“ So könnte die schnelle Antwort auf die Frage einer römisch-katholischen Christin sein, die ihre Tochter, ein aktives Gemeindemitglied, in einem Sonntagsgottesdienst begleitete.


Doch welche Assoziationen stehen hinter dieser Außenbetrachtung? Eine lebendige, erkennbare Gemeinschaft, freundliche Ausstrahlung, eine einladende, vielleicht sogar werbende Atmosphäre, ein inhaltliches Profil, das auch abgrenzend wirkt – all diese Aspekte unserer Gemeindewirklichkeit könnten diese Frage angeregt haben.

In der Volkskirche scheint es anders zuzugehen: Fast alle sind Mitglied der Kirche. Die Zugehörigkeit vermittelt ein hohes Maß an Sicherheit und ermöglicht gleichzeitig die verschiedensten Varianten von Distanz und Nähe zur Kirchengemeinde. Offenheit und Pluralität auf der einen Seite, Sicherheit, auch in Bezug auf die Positionierung in der Gesellschaft auf der anderen Seite: Diese Aspekte volkskirchlicher Realität sind in beiden großen Kirchen, wenn auch in unterschiedlicher Gewichtung, zu finden. So sehen dann schnell alle anderen christlichen Gemeinschaften wie Sekten aus, sogar volkskirchliche Gemeinden mit einem bestimmtem Profil.

Nun scheint das Ende der volkskirchlichen Strukturen erkennbar zu werden: „Ich denke, dass die Kirche der Zukunft eine Kirche der Entscheidung sein muss und wird. Die Zeit der Volkskirche, wo Menschen in ihren Glauben hinein geboren werden, ist vorbei“ (Bischof Stephan Ackermann, RZ 19.8.2011). „Perspektivisch geht es wohl um die Emergenz einer neuen Gestalt von Kirche, die nicht mehr Großkirche oder Volkskirche sein wird.“ (aus den Visitationsunterlagen der ev. Kirchengemeinde Bendorf, Februar 2011).

Deswegen wird tatsächlich die Frage des theologischen Ausschusses nach unserer Fähigkeit, zu begeistern, also auch nach dem Zugang zu unseren Gemeinden, wie die Frage nach der Bindung an die Kirche, wichtig. Für unsere Kirchengemeinde ergibt sich die Notwendigkeit einer Ortsbestimmung zwischen Verbindlichkeit / Erkennbarkeit auf der einen und Offenheit / Pluralität auf der anderen Seite. Wir leben außerdem in der Überzeugung, ohne ökumenische weltweite Bezüge nicht christliche Gemeinde sein zu können.

II) Offen und verbindlich

Immer noch besteht für viele der erste Zugang in der Inanspruchnahme volkskirchlicher Dienste. Soll der Kontakt kontinuierlicher und verbindlicher werden, spielt die Ausstrahlung einzelner Menschen, aber auch die von Gemeindegruppen und die der Gottesdienste eine große Rolle. Die Bindung an die Kirche vollzieht sich nach unserer Beobachtung immer im direkten Kontakt zu den Menschen vor Ort. Gemeindearbeit ist Beziehungsarbeit, gemeint sind die zwischenmenschlichen Beziehungen genauso wie die gemeinsame Pflege der Gottesbeziehung.

Erfahrbare Gemeinschaft und Verlässlichkeit in den Beziehungen und Kontinuität in der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, erleben wir auf der einen Seite. Auf der anderen Seite ist die Offenheit und der einladende Charakter unserer Gemeinde groß. Die niedrige Zugangsschwelle erlaubt das problemlose Hineingehen genauso wie das lautlose Herausgehen. Besucherzahlen auf stabilem, nicht niedrigem, aber auch nicht hohem Niveau irritieren. Ist unsere Bindungsqualität nicht hoch genug? Oder sind die Menschen heute vielleicht immer weniger bindungsfähig oder bindungswillig? Vielleicht beschreibt die seit Jahren stabile Situation mit der Tendenz sehr langsamer Steigerung den für uns richtigen Grad zwischen Distanz und Nähe.

Nachfolgend beschreiben wir Eigenschaften unserer Kirchengemeinde, die die Ortsbestimmung erläutern, anhand herausragender Ereignisse des Berichtszeitraumes.

1) Verbindliche Gemeinde

Die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, ist kontinuierlich hoch: Für zwei 2010 nach langjähriger Mitarbeit ausgeschiedene Presbyteriumsmitglieder konnten problemlos Neue gefunden werden, davon hat eine Frau bereits die Aufgabe der Baukirchmeisterin übernommen. Die Verabschiedung und Nachberufung fand im Dezember 2010 statt. Für die Presbyteriumswahl 2012 wird nur eine Presbyterin aus Altersgründen nicht mehr zur Wahl stehen. Für neun Presbyteriumsplätze stehen bis jetzt 11 Kandidatinnen und Kandidaten zur Verfügung. An der jährlichen Wochenendfahrt im November, 2010 auf den Spuren von Philipp Melanchton, haben wieder alle Mitglieder mit ihren Partnerinnen und Partnern teilgenommen.

Der Mitarbeiterkreis für den kirchlichen Untericht besteht aus insgesamt 45 jungen Menschen zwischen 14 und 25 Jahren. 32 davon nehmen regelmäßig an den Treffen am Mittwochabend teil, 18 Jugendliche, davon 10, die nach ihrer Konfirmation 2011 neu angefangen haben, sind im wöchentlichen Konfirmationsunterricht eingesetzt. Die jährliche einwöchige Schulungsfahrt in den Herbstferien leistet weiterhin die wichtige Integrationsarbeit zwischen Alten und Neuen. In diesem Jahr werden wir das erste Mal auf einem Großsegler unterwegs sein. Das Presbyterium hatte die Bereitschaft gezeigt, die höheren Bezuschussungskosten zu tragen.

Das Blockflötenensemble hat nach dem Wegzug von Xenia Schrooten mit Judith Seul eine neue kompetente Leiterin gefunden. Die musikalische Gestaltung des ökumenischen Lichtergottesdienstes am 01.02.2011 und des Karfreitagsgottesdienstes war erstklassig. Das Ensemble besteht derzeit aus 7 Mitgliedern.

Der Spiritual-Chor besteht aktuell aus 21 Sängerinnen und Sängern. Die gute Gruppenatmosphäre und die Qualität der Leitung wird von ihnen ausdrücklich hervorgehoben. Alt und Tenor sind leider trotz Werbung weiterhin gering oder überhaupt nicht besetzt.

Nach einer enttäuschenden Beteiligung an der Mitarbeiterinnen- und Mitarbeitersegnung 2010 haben wir einen persönlichen Einladungsbrief an alle Aktiven gerichtet und hohe Aufmerksamkeit auf die Gestaltung des Segnungsgottesdienstes gelegt. Im Januar 2011 waren die Beteiligung und die Intensität gut. Die Party für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach dem Reformationsgottesdienst hat sich auch im Oktober 2010 als Treffpunkt der unterschiedlichen Altersgruppen und Gemeindebereiche bewährt.

Im Winter 2011 werden wir mit einem biblisch-katechetischen Grundkurs für Erwachsene beginnen. Er soll theologisch interessierte Gemeindemitglieder ansprechen. Der Kurs könnte sich auch als Taufvorbereitung für Erwachsenentaufen anbieten. Wir können auf Arbeitsmaterial der alten Mayener Gemeinde mit befreiungstheologischer Tendenz zurückgreifen.

2) Gemeinde ohne Bindungsdruck

Wir ermöglichen Begegnungen, ohne zu verpflichten und schnell zu vereinnahmen:

Der Gottesdienst am Ostermorgen zum Sonnenaufgang hat mittlerweile eine 25-jährige Tradition und erfreut sich steigender Beteiligung. Um 05:30 Uhr trafen sich in diesem Jahr auf der höchsten Erhebung des Maifeldes, dem Sammetzkopf, ca. 70 Menschen unterschiedlicher Konfessionen, darunter auch einige ohne sonstige Kirchenbindung. Mehr als 40 nahmen am anschließenden Osterfrühstück im Gemeindezentrum teil.

Der Familiengottesdienst am Ostermorgen um 10:00 Uhr spricht viele auch gemeindeferne Familien an. Die Kinder der Kinderbibelzeit (KIBIZ) waren sehr stolz auf das Kreuz aus fünf Passions- und Osterbildern, die sie auf Plexiglas mit Ölfarben gemalt hatten. Das Kreuz stand im Mittelpunkt des Gottesdienstes und findet bei Gottesdiensten auch außerhalb des Gemeindezentrums weiter Verwendung.

Unsere Gemeindewanderung im August bot viele Formen der Beteiligung. Ungefähr 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer begonnen den Tag mit einem kurzen Sendungsgottesdienst und wanderten im strömenden Regen zur Heilig-Kreuz-Kapelle oberhalb von Mertloch. Sehr viel mehr nahmen am dortigen Gottesdienst unter freiem Himmel teil. Das abschließende gemeinsame Essen an der Mertlocher Grillhütte zog weitere Gemeindemitglieder an.

Die große Beteiligung an herausragenden Ereignissen hat nach unserer Beobachtung kaum Auswirkungen auf die kontinuierliche Beteiligung in regelmäßigen Gruppen und normalen Gottesdiensten. Dennoch signalisieren sie die Offenheit der Gemeinde. Die Möglichkeit der Teilnahme ohne Bindungsdruck steht gleichberechtigt neben der Einladung zur verbindlichen Gemeinschaft.

3) Gemeinde mit Ausstrahlung

Immer wieder werden wir auf unsere einladende, freundliche Ausstrahlung angesprochen. Dies lässt sich auch an der langsam wachsenden Zahl der Gottesdienstteilnehmer ablesen. Es kommen auch Christen anderer Konfessionen regelmäßig zu unseren Gottesdiensten.

Vielleicht deutet die höhere Erfassungszahl im KU auf die gestiegene Bereitschaft zur Bindung hin: Im Jahr 2011 haben sich 29 Konfirmandinnen und Konfirmanden angemeldet, 32 wurden angeschrieben. Dies ist eine Steigerung auf 90% Erfassung gegenüber lediglich 66% noch vor einigen Jahren.

4) Sich öffnende Gemeinde

Auf der einen Seite verstärkt sich unsere Zusammenarbeit mit anderen Gruppen und kommunalen Einrichtungen: Die Zahl der ökumenischen Schulgottesdienste und der ökumenischen Gottesdienste in den Caritaswerkstätten ist aufgrund höherer Nachfrage gestiegen. Der Musikverein Polch hat im tiefen Schnee die Gottesdienstbesucher am Heiligabend 2010 stimmungsvoll mit traditionellen Weihnachtsliedern auf ihren Nachhauseweg nach dem Gottesdienst geleitet.

Auf der anderen Seite wird die kirchliche Beteiligung an gesellschaftlichen Ereignissen weniger selbstverständlich nachgefragt: Der Mertlocher Bauernmarkt hatte zum dritten Mal in Folge keinen ökumenischen Gottesdienst im Programm, obwohl 2005 bei der Erstveranstaltung ein solcher Gottesdienst mit großer Beteiligung und hoher positiver Beachtung gefeiert wurde. Die Eigeninitiative der römisch- katholischen und evangelischen Gemeinden ist in Zukunft stärker gefragt.

5) Erkennbare Gemeinde

Der jüdisch-christliche Gottesdienst zur Erinnerung an die Pogromnacht am 09.11. war 2010 wieder gut besucht. Er wurde in einer interreligiösen Gruppe auf hohem theologischen Niveau vorbereitet. 2010 war dieser Gottesdienstbesuch auch Bestandteil des KU. Das Thema wurde wie in den letzten Jahren im KU ausführlich behandelt.

Im Januar 2011 hat sich ein Elternpaar nach ausführlicher Beratung für eine Kindersegnung statt der Kindertaufe entschieden.

Pfarrer Ingo Schrooten hat auf der Koblenzer Anti-Atom-Demonstration im Mai 2011 als evangelischer Vertreter gesprochen. Die Kurzansprache war kapitalismuskritisch ausgerichtet. Auch Maifelder Gemeindemitglieder nahmen an der Demonstration teil.

Eine Gruppe jugendlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fuhr mit großer finanzieller Unterstützung durch die Gemeinde zum Kirchentag nach Dresden. Die Pastoralreferentin des Dekanats Maifeld-Untermosel übernahm die organisatorische Vorbereitung dankenswerterweise für uns mit. Der Kirchentagsbesuch wurde inhaltlich vor- und nachbereitet. Die Jugendlichen gestalteten für die Gemeinde mit ihren Erfahrungen einen „Gottesdienst von uns für euch“.

6) Orientierungsstiftende Gemeinde

Im KU-Seminar im März 2011 zur Vorbereitung des Vorstellungsgottesdienstes arbeiteten die Konfirmandinnen und Konfirmanden zum Vaterunser. Die dabei erstellten großen Fensterbilder haben einen bemerkenswerten künstlerischen Anspruch und gehören auf Beschluss des Presbyteriums in Wechselrahmen jetzt zur festen Ausstattung unseres Gottesdienstraumes. Die Beschäftigung mit den Inhalten wurde für die Jugendlichen so intensiviert und durch die positive Rückmeldung in der Öffentlichkeit nochmals verstärkt.

7) Anteilnehmende Gemeinde

Leiden lässt uns nicht kalt. Zuwendung ist gefragt, Trost, Anteilnahme und Mitgefühl:

Die Partnerschaft der Kirchengemeinde mit dem psychologischen Projekt Ekupholeni in den Townships von Johannesburg in Südafrika ist seit Jahren lebendig. Die Leiterin Antje Manfroni besuchte uns im Juli und informierte in einem Seminar und in einem Gottesdienst über die Arbeit mit Kindern. Beispielsweise organisierte Ekupholeni einen Menschenrechtstag mit über 1000 Kindern an einer Schule. Ekupholeni unterstützt Kinderfamilien, die alle hilfefähigen Erwachsenen durch AIDS oder verschiedene Formen von Gewalt verloren haben.

Im Mai fand im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des Zentrums für frühe Hilfen das zweite Evaluationstreffen statt. Aufgrund des Erfolges und der Qualität der Arbeit wurde für die Fortsetzung der auf Ende 2011 begrenzten Förderung votiert. Das ZffH begleitet Eltern mit unterschiedlichstem Unterstützungsbedarf in der frühen Erziehungsphase ihrer Kinder. Die Kirchengemeinde ist für dieses Pilotprojekt in Rheinland-Pfalz in einer Trägergemeinschaft mit dem Caritas-Verband.

III) Unverzichtbar ökumenisch

Kirche Jesu Christi kann nicht isoliert vor Ort existieren. Die Verbundenheit mit der Christenheit in der Einen Welt ist uns unverzichtbar. Ebenso sind wir uns unserer weltweiten Verantwortung bewusst.

Die regionale Ökumene kommt mehr in den Gemeinden an: Der offizielle gegenseitige Besuch durch Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertretern bei großen Pfarr- und Gemeindeereignissen findet Beachtung und Anerkennung.

Anfang Februar feierten wir das erste Mal einen ökumenischen Lichtergottesdienst zum Abschluss des Weihnachtsfestkreises in der nur von Kerzen erleuchteten St.-Georgs-Kapelle auf dem Polcher Friedhof. Der Gottesdienst wurde nicht nur von den Theologinnen und Theologen, sondern auch von einer mit theologischen Laien besetzten ökumenischen Gruppe vorbereitet. Er soll jetzt jährlich gefeiert werden.

In den vergangenen Monaten wurde deutlicher als bisher, dass die evangelischen Gemeinden der Region aufeinander angewiesen sind. Aufgrund von Krankheiten und Vakanzen in mehreren Gemeinden war der Vertretungsbedarf groß. Auch die inhaltliche Zusammenarbeit im Rahmen des Regionalkonventes hat sich verstärkt.

Beraten und beschlossen durch das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Maifeld am 06.09.2011